Alte Schmelze

Jennifer Bannert, Ulrike Markus

„Pick up a coffee or a croissant, anything that makes you happy, you’ll need it!“, rät die  Nachrichtensprecherin angesichts starker Regenfälle und einhergehender Erdrutsche allen, die an diesem Tag das Haus verlassen müssen. Die unterschwellige Drohung artikuliert etwas, an das man sich allmählich zu gewöhnen scheint: an das Gefühl, „dass etwas nicht stimmt“. Man wird alles benötigen, was einen glücklich macht, um das durchzustehen, was auf einen zukommt.

Die Ausstellung anything that makes you happy, you’ll need it! mit Jennifer Bannert und Ulrike Markus erzählt von genau dieser Zerbrechlichkeit des Daseins. Jennifer Bannert zeigt großformatige, reflektierende Malereien auf Aluminium, die Phänomene von Natur gewaltig und immateriell zugleich erscheinen lassen. Das Erhabene von heute, schreibt Nicolas Bourriaud, ist das Gefühl des Kontrollverlustes über den Planeten. In diesem Sinne bilden die Naturdarstellungen von Jennifer Bannert keine Bühne für menschliches Geschehen. Sie enthalten keine Aufteilung in Vorder- und Hintergrund und keine Perspektive, die den Blick in die Ferne führt. Hier werden einzelne Elemente von Natur selbst (wie Wolken, Wasser, Licht und Regen) zu den Protagonisten der Malerei und überziehen als solche die gesamte Bildfläche. Nicht zuletzt aufgrund der Reflexionen des Metalls scheinen sich die Betrachter_innen inmitten von etwas zu befinden. Etwas, das sich nicht objektivieren und kontrollieren lässt, und das uns Menschen zwingen wird, uns als Teil eines größeren Ganzen zu begreifen. 

Die Installationen und Skulpturen von Ulrike Markus wirken auf den ersten Blick ebenfalls bedrohlich groß und raumgreifend, sie sind jedoch fragil, leicht und beweglich. Die Künstlerin arbeitet mit Glasobjekten, langen Stahlstäben und genähten abstrakten Formen, die in ihrem Zusammenwirken ein Eigenleben entwickeln. Wie einzelne Erzählstränge stehen die Skulpturen untereinander im Austausch und verbinden sich mit der Architektur. Metallene Linien zeichnen sich durch den Raum, tauchen in die Wand ein, treten an anderer Stelle wieder hervor, bis sie sich letztendlich im geschmolzenen Glas verästeln. Subtile Bewegungen lassen die Skulpturen atmen, erschlaffen, pochen. Risse und scharfe Kanten erzählen von Verletzungen und wecken Assoziationen zu körperlichem Verfall. Die Arbeiten sind in sich aktiv und spiegeln ihren Betrachter_innen die heimliche Sehnsucht, in den abstrakten Formen organische Körper und Abläufe zu erkennen. Schließlich geht es auch um Balance und Leichtigkeit – in einer Situation, in der diverse Kräfte aufeinandertreffen.

 Die Zusammenführung beider Positionen ermöglicht eine sinnliche Erfahrung von Materialien, Farbe und Texturen. Ephemere Eindrücke wie Transparenz, Glanz und Reflexion stehen im Kontrast zur rauen Beschaffenheit der Räumlichkeiten der „Alten Schmelze“. Zugleich spiegeln die Arbeiten eine neue Art des In-der-Welt-Seins im Anthropozän, das Ambivalenzen, Diskontinuitäten, Bedrohlichkeiten und Unvorhergesehenes einschließt. So erschöpft sich die Ausstellung nicht im ästhetischen Spiel, sondern visualisiert, wie brüchig das ist, was oftmals als selbstverständlich erachtet wird. 

Fotocredits: © Jens Gerber

 

Ausstellung
Jennifer Bannert, Ulrike Markus
anything that makes you happy, you’ll need it!
Sep 07 – Sep 24


Kontakt
Jacqueline Jakobi Millán
Gutleutstraße 294
60327 Frankfurt am Main

https://milchsackfabrik.de/news/willkommen-in-der-werkstadt-west/

jakobi@milchsackfabrik.de

 
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Ausstellungsraum EULENGASSE