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Nguyen Xuan Huy

Die Werke von Nguyen Xuan Huy bauen Brücken aus dem 21. ins 19. Jahrhundert. Sie reagieren auf die visuellen Muster der Gegenwart und besitzen zugleich die Meisterschaft und thematische Dichte der klassischen europäischen Malerei. Nguyens Kunst greift aktuelle Sachverhalte auf und formuliert eindringliche Parabeln von außerordentlicher Tiefe, Komplexität und Virtuosität. In einer Zeit, der die Maßstäbe verlorengegangen sind, schafft er Bilder von Wirkung und Klarheit.

Wie kommt es, dass ein 1976 in Vietnam geborener Künstler sich in der europäischen Kunst und Kultur so ungemein kenntnisreich bewegt? Schon als Kind stieß Huy auf französische Kunstbände aus der Indochina-Zeit und war fasziniert. Er wagte sich an Kopien nach Géricault, Delacroix und Boucher. Bald zeichnete er anatomische Schnellskizzen, Porträts und Perspektiven. Siebzehnjährig kam der junge Mann nach Deutschland, lernte binnen anderthalb Jahren die Sprache, holte das Abitur nach und studierte an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle sowie der Ecole des Beaux-Arts in Bordeaux. Seine ersten großen Werke setzten sich mit der jüngeren Gegenwart Vietnams auseinander, dem Krieg und dem kommunistischen Regime. Inzwischen, nachdem der Künstler mehr als die Hälfte seines Lebens in Europa verbracht hat, ist seine neue Heimat in den Fokus gerückt. Er wendet sich unseren Problemen zu, die weniger augenscheinlich, aber ebenso gravierend sind wie die seines Herkunftslandes. Zahlreiche Kompositionen loten Aspekte unserer Existenz, unsere Hybris, Blindheit und Ignoranz aus. Andere Werke verweisen hingegen auf die Stärke und Schönheit des menschlichen Willens und die Option, gegenüber Repression und Manipulation standhaft zu bleiben.

Der verhaltene Optimismus der letzten Jahre ist aus dem neuesten Schaffen des Künstlers weitgehend verschwunden. Die Attraktivität der Malerei berührt das nicht – sie wird zunehmend virtuoser, die Kompositionen immer vielschichtiger und die Erzählungen komplexer.

Nguyens Gemälde „Irrlichter“ (Abb. 1) gehört zum kunsthistorischen Typus der Nachtbilder. Dichte wolkenähnliche Gebilde verfinstern den Himmel. Die siebzehn Protagonisten erscheinen in ein geisterhaftes Bühnenlicht wie bei Toulouse-Lautrec oder Degas getaucht. Fünfzehn der Dargestellten machen sich fieberhaft, aber ohne erkennbaren Sinn zu schaffen, zwei haben sich ängstlich zusammengekauert. Die gesamte Szenerie wirkt theaterhaft, die Gegenstände wie Kulissenteile oder Requisiten. Der Boden fehlt, alles scheint im Raum zu schweben. Mit dem Bildtitel verweist der Künstler auf Irreführung und Täuschung. Die Situation ist erkennbar und zeitgemäß: Anstelle von Auswegen präsentiert die Theaterleitung ein Programm, das immer tiefer ins Chaos führt.

In „Expectation“ (Abb. 2) erscheint das Individuum bereits als passives Objekt, vielleicht sogar als Ware. Schläuche versorgen die Körper mit Nährlösung. Schonbezüge und Verpackungsfolien erinnern an ein Möbellager, ein Kunstdepot. Die Menschheit verabschiedet sich aus der aktiven Existenz und mutiert zur Verfügungsmasse von Algorithmen.

Im Gegensatz wirkt „Die Sicht“ (Abb. 3) fast idyllisch. Vor dem Hintergrund einer zerfallenden Fassade praktizieren drei Figuren diverse Verfahren der Ignoranz. Eine vergräbt sich in ein Bettlaken. Zwei andere experimentieren mit schimmernden Rettungsdecken, wie sie in Deutschland vorgeschriebener Bestandteil von Verbandkästen sind. Die Folien reflektieren UV- und Infrarotlicht – und vielleicht auch unbequeme Wahrheiten. Geradezu spielerisch variiert der Künstler das Thema in seinen kleineren Formaten „Silence 14“ und „Silence 15“. Alle drei Werke zeigen eine junge Frau, die Jan Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“ frappant ähnelt. Der Bezugs- und Metaphernreichtum der Werke Vermeers findet sich bei Nguyen Xuan Huy wieder. Vielleicht ist er der europäischste unter den zeitgenössischen Malern. Auf jeden Fall einer der spannendsten.

In den vergangenen Jahren zeigte der Künstler Einzelpräsentationen und Ausstellungsbeteiligungen in der Kunsthalle Darmstadt, beim Mannheimer Kunstverein, dem Kunstmuseum Jena, der Luxembourg Art Week, der Art Karlsruhe und der London Art Fair, dem Haus am Lützowplatz in Berlin und anderen Institutionen. Werke des Künstlers befinden sich in Sammlungen in Europa und Nordamerika.

 

Ausstellung
Nguyen Xuan Huy
Hybris
Sep 08 - Nov 18


Kontakt
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